Montag, 29. April 2013

Evil Dead (2013)


Die meisten Filmliebhaber die schon im jungen Alter ihre Leidenschaft fürs Medium entdeckt haben, werden das Szenario kennen. Man hört mehr oder weniger beiläufig von einem kultigen Horrorfilm und MUSS ihn so schnell wie möglich sehen, und zwar um jeden Preis. Der einzige Haken an der Geschichte, man ist im zarten Alter von 12 noch viel zu klein und unschuldig für derartigen Schund. Die Eltern lehnend das Leihen/Besorgen des Films empört ab, das Internet ist ebenfalls noch zu jung um Filme darüber zu beziehen und ein Freund dessen Bruder volljährig ist oder in einer Videothek arbeitet fehlt ebenfalls. Nach einer unaufhaltbaren und andauernden Nerv-Attacke waren meine Eltern also endlich bereit oder verzweifelt genug, mir Zugang zu "The Evil Dead" zu gewähren.
Knapp 13 Jahre später gehört die dreiteilige Saga von Ash und seiner Kettensäge noch immer zu meinen liebsten Horrorfilmen, unter Anderem weil sie auch nach zum Teil 30 Jahren noch unheimlich Spaß machen und zeigen, wie man aus einer simplen Horror-Prämisse das Meiste herausholen kann.

"Groovy."

Wie alles Andere auf diesem Planeten auch musste "The Evil Dead" für meine Generation neu interpretiert werden. Aber immerhin konnte man Produzent, Regisseur und Star der Originaltrilogie als Drahtzieher verpflichten und so dem lateinamerikanischen Regisseur Fede Alvarez für sein Langfilmdebüt ein paar Experten zur Seite stellen.

Mia (Jane Levy) verbringt mit ihrem Bruder David (Shiloh Fernandez) sowie ein paar Freunden einige Tage in einer heruntergekommenen und übertrieben gruseligen Hütte in der Mitte eines verlassenen Waldes. Im Keller finden sie ein Buch das nicht nur voll ist mit uralten, satanistischen Ritualen, sondern zu allem Überfluss auch noch einen Einband aus Menschenhaut hat. Prompt wird eine Passage LAUT vorgelesen und ein paar Dämonen geweckt, weil "fuck it, why not"

Mit der Story des Films halte ich mich hier nicht weiter auf, denn jeder halbwegs belesene (Horror)Filmfan kennt sie bereits. Leute werden besessen, attackiert, verstümmelt, und auf zunehmend kreative Art und Weise ins Jenseits befördert.
Anders als zuletzt die Metabombe "The Cabin in the Woods" verzichtet "Evil Dead" auf all zu schmerzhafte Stereotypen oder permanentes Augenzwinkern und konzentriert sich auf das Wesentliche. Auch die zahlreichen PG-13-"Horrorfilme" der letzten Jahre, die sich primär auf billige Jumpscares und hanebüchene Auflösungen gestützt haben (Kandidaten wie "Mama" oder die "Paranormal Activity"-Ableger) fegt "Evil Dead" gehörig aus dem Wasser. Es freut mich zu berichten dass wir hier seit längerer Zeit mal wieder einen ernstzunehmenden Horrofilm am Start haben, der außerdem von namhaften Studios finanziert wurde.




Umso verwunderlicher also, dass sogar diese Szene es ins neue Millenium geschafft hat
Mit dem selben köstlichen Sadismus wie damals Sam Raimi schickt Fede Alvarez seinen Cast durch einen Spießrutenlauf von Blut, Schmerz und Gewalt und bleibt meilenweit von jeglicher Rücksicht oder Vernunft, genau das Richtige also für eine Neuauflage des klassischen Klaustrophobie-Horrors. Die Einfachheit seiner Story ist ihm zu jeder Zeit bewusst und er bleibt ihr durchgehend treu, hier und da erzählt er sie sogar mit einigen innovativen Twists und Kurven, die dem Film sehr gut tun.

Der Einfluss des Originals schwingt, manchmal subtil und manchmal offensichtlich, permanent mit. Seien es markante Kameraeinstellungen, direkte Zitate oder nur kurz eingestreute visuelle Merkmale, "The Evil Dead" ist gleichermaßen ein moderner Splatterhorrorfilm und ein Tribut an einen der großen Kultklassiker der 80er Jahre. Er macht Spaß ohne albern zu sein, unterhält ohne stumpf zu sein und bietet dem geneigten und volljährigen Fan endlich mal wieder einen Horrorfilm, der nicht für Kinder gedacht ist.

8/10

Dienstag, 25. Dezember 2012

Das Kinojahr 2012 / Die Top 10

Ein weiteres reichhaltiges Kinojahr geht vorbei und nach ca. 80 Kinobesuchen wird es Zeit, die Spreu vom Weizen zu trennen. Nachfolgend die zehn Filme die mich 2012 am meisten begeistert/berührt/fasziniert haben:




10. The Dark Knight Rises (Christopher Nolan)
22. Juli, BFI IMAX London

Vier Jahre nach "The Dark Knight" kredenzt Chris Nolan uns das letzte Kapitel seiner Batman-Trilogie. Dabei bietet er im diesjährigen Mammutstück erwartungsgemäß wenig Überraschungen.  Das Einzige was, wie schon in den Vorgängern, heraussticht ist die absolut makellose Besetzung von Batmans Gegenspieler. Tom Hardy liefert als Bane hier eine ebenso originelle wie ehrfurcht inspirierende Interpretation des Batbreakers und bleibt der größte Pluspunkt in einem etwas aufgeblasenen Epos, das leider einige Schwachstellen hat.
Trotzdem in die Liste hat "The Dark Knight Rises" es hauptsächlich wegen der ersten Kampfszene zwischen Bane und Batman geschafft und weil ich die erste Kinosichtung um 5 Uhr morgens mitten im schlafenden London nicht so schnell vergessen werde.




9. Beasts of the Southern Wild (Benh Zeitlin)
10. Dezember, Streit's Filmtheater Hamburg

Obwohl ich schon vorher den einen oder anderen Artikel zu Beasts gelesen habe hat er mich dennoch unvorbereitet erwischt. Was der amerikanische Regisseur Benh Zeitlin in seinem Debüt erzählt kommt einem kleinen Wunder gleich. Durch die Augen einer 6-jährigen greift der Film sowohl soziale als auch ökologische Thematiken auf und fühlt sich dabei jederzeit (teilweise) schmerzhaft authentisch an. Die Arbeit von Quvenzhané Wallis zählt zu den besten schauspielerischen Beiträgen eines Kindes der letzten Jahre.




8. Shame (Steve McQueen)
6. Februar, Streit's Filmtheater Hamburg

"Shame" strotzt nur so vor Courage. Nicht oft flimmern Charakterstücke über Sexsucht und die Konsequenzen über die Leinwand. Leider habe ich "Shame" im Rahmen einer Sneak Preview gesehen und schon wenige Momente nachdem die Vorführung begonnnen hat wurde mir klar, warum. Offensichtlich gibt es einfach viel zu wenige Erwachsene, die in der Lage sind sich mit sexuellen oder sonstwie intimen Themen zu befassen, ohne sich wie Idioten aufzuführen, über jedes Geschlechtsorgan und jedes schmutzige Wort zu lachen oder sonstwie lautstark ihre Unsicherheit kund zu tun.
Die Aufregung nimmt dem Film ultimativ natürlich Nichts weg, "Shame" ist ein außergewöhnlicher, beklemmender und gnadenlos ehrlicher Film über ein Tabuthema und hat daher seinen Platz in dieser Topliste mehr als verdient.




7. The Hobbit: An Unexpected Journey (Peter Jackson)
12. Dezember, Streit's Filmtheater Hamburg

Inzwischen scheint sich die Meinung durchzuringen, dass es sich bei dem ersten Teil der Verfilmung des Hobbits um einen minderwertigen Nachschlag zur "Herr der Ringe"-Trilogie handelt. Nachvollziehen kann ich das überhaupt nicht. Sicherlich ist es etwas unglücklich, den "kleineren" Bruder der Ringe-Trilogie als Zweites auf die Leinwand zu bringen, so fehlt es dem Hobbit an ausladenden Schlacht- und Kampfsequenzen und der Ton des Films fällt etwas weniger drastisch und ernsthaft aus. Nichtsdestotrotz war es mir ein großes Vergnügen, mich neun Jahre nach "The Return of the King" wieder im Kino einzufinden um eine Tolkien-Verfilmung zu erleben.
Die wenigen Schwachpunkte des Films reichen nicht um den Gesamteindruck des Films zu trüben, "The Hobbit: An Unexpected Journey" bleibt der "Herr der Ringe"-Trilogie treu und fühlt sich wie ein enger, wenn auch weniger spektakulärer, Verwandter an.



6. The Avengers (Joss Whedon)
26. April, Streit's Filmtheater Hamburg

Die Kulmination von Marvels erster "Phase", die in 2008 mit "Iron Man" und "The Incredible Hulk" begonnen hat. Serienheld und Nerdgott Joss Whedon übernimmt die furchteinflößende Aufgabe, vier Superhelden samt riesigen Egos und Gefolge in einen Film zu stecken. Und sein Konzept geht auf.
Voll mit cleverem Humor und jeder Menge Spaß prügeln sich Downey Jr., Hemsworth, Ruffalo, Evans und Konsorten durch den zweifellos besten Blockbuster des Sommers und wahrscheinlich auch der letzten Jahre. Wo Nolans Batman-Trilogie sich teilweise schmerzhaft ernst nimmt setzt Whedon den ersten "Avengers"-Film mit genau der richtigen Balance seiner Zutaten um und dreht einen der erfolgreichsten und bei Kritikern und Publikum beliebtesten Filme überhaupt.



5. The Cabin in the Woods (Drew Goddard)
18. Juni, Streit's Filmtheater Hamburg

Und da ist sie, die Whedon-Kombo. In diesem Fall zwar offiziell nur als Drehbuchautor beteiligt, spürt man Joss Whedons Handschrift trotzdem. "Cabin" ist ein Horrorfilm wie er origineller kaum sein könnte und wie ihn das Genre bitter nötig hat. Whedon und Goddard machen sich sämtliche Tricks zu Nutzen um ihre ausgeflippte Geschichte effektiv zu erzählen. Heraus kommt ein Film der nicht einfach nur höllisch Spaß macht, sondern für jeden (Horror)Filmfan eine wahre Puzzlebox ist.
Eiskalt und spoilerfrei genießen!



4. Life of Pi (Ang Lee)
17. Dezember, Streit's Filmtheater Hamburg

Nur wenige Tage vor Redaktionsschluss konnte ich "Life of Pi" begutachten, dank meiner heimischen Sneak Preview sogar in glorreichem 2D. Die Geschichte von Pis Leben erinnert einen schnell an die besten fiktiven Biopics, vor allem schwingt dauerhaft eine Assoziation zu Tim Burtons wundervollem "Big Fish" mit.
Neben der schön gefilmten und erzählten Geschichte schafft Ang Lee es außerdem, Gedankenansätze zu Spiritualität und Religion einzustreuen, ohne dass sie dem Publikum ins Gesicht gedrückt werden oder erzwungen wirken.



3. The Perks of Being a Wallflower (Stephen Chbosky)
15. Oktober, Streit's Filmtheater Hamburg

Basierend auf dem gleichnamigen Roman und filmisch umgesetzt von dessen Autor haben wir hier einen waschechten Autorenfilm. Durchsetzt mit exzellent geschriebenen Charakteren und makellosen schauspielerischen Leistungen (Logan Lerman, Emma Watson) fühlt sich "Perks" wie einer der Filme von John Hughes an, die in den 80ern den Schmerz des Erwachsenwerdens so perfekt eingefangen haben wie keine zuvor oder seitdem.



2. Moonrise Kingdom (Wes Anderson)
30. Mai, Abaton Hamburg

Die Filme von Wes Anderson sind wie ein Urlaub in der Sonne. Weit weg von dem Zynismus und Pessimismus der Gesellschaft fühlen sie sich teilweise wie Fantasy-Filme aus einer gleichermaßen vertrauten wie fremden Welt an. In "Moonrise Kingdom", in dem es um die verbotene Liebe zweier Teenager geht, treibt Anderson sein übliches Rezept auf die Spitze und präsentiert den bisher besten Film seiner Karriere.



1. Cloud Atlas (Andy/Lana Wachowski, Tom Tykwer)
15. November, Streit's Filmtheater Hamburg

Zum Teil ist es schwer, die Platzierungen einer solchen Liste zuzuordnen. Die Nummer 1 war jedoch in diesem Fall der am einfachsten vergebene Platz.
"Cloud Atlas" ist schlicht und ergreifend alles. Ein drei Stunden langes Mammutwerk, das in dieser Form einzigartig ist. Bis oben hin voll mit Humor, Tragik, Action und Bedeutung ist der Film des Trios Wachowski/Tykwer ein Denkmal für filmische Kreativität und einer der wenigen wirklich mutigen und außergewöhnlichen Filme des Kinojahres 2012.




Honorable Mentions

Natürlich gab es in diesem Jahr mehr als zehn gute Filme. Die die es nicht ganz unter die zehn Besten geschafft haben möchte ich hier der Vollständigkeit halber kurz aufzählen:

Skyfall (Sam Mendes)
Seven Psychopaths (Martin McDonagh)
50/50 (Jonathan Levine)
The Raid: Redemption (Gareth Evans)
The Grey (Joe Carnahan)
Ruby Sparks (Jonathan Dayton, Valerie Faris)
Argo (Ben Affleck)


Disqualifizierungen

Einige vielversprechende Filme des Jahres konnten leider nicht berücksichtigt werden, weil sie hierzulande (noch) nicht angelaufen sind oder ich sie verpasst habe. Dazu gehören:

Looper (Rian Johnson)
Zero Dark Thirty (Kathryn Bigelow)
Lincoln (Steven Spielberg)
Django Unchained (Quentin Tarantino)
Holy Motors (Leos Carax)
Killer Joe (William Friedkin)
The Master (Paul Thomas Anderson)