Montag, 3. Januar 2011

Scott Pilgrim vs. the World


"We all have baggage."                                    
                          - Ramona Flowers (Mary Elizabeth Winstead)


Seit der ersten Leinwandinkarnation der X-Men vor mittlerweile 10 Jahren sind Verfilmungen von Comics und Graphic Novels eine feste und immer weiter wachsende Größe in Hollywood. Mittlerweile hat dieser Trend ein beinahe unüberschaubares Ausmaß angenommen, seien es Graphic Novels wie Sin City oder klassische Superhelden-Comics wie Batman, Spiderman und Superman. Seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht der ideenlose Wahn in 2012, wenn die Spiderman-Reihe nur fünf Jahre nach ihrem letzten Teil ein "Reboot" "spendiert" bekommt.

Der Grund für dieses Konzept liegt auf der Hand. Comicfiguren und Helden sind zu einem wichtigen Teil der modernen Popkultur geworden und haben sich vielerorts zu bekannten Symbolen und Marken entwickelt, die einem Filmprojekt eine gute Portion an finanzieller Sicherheit garantieren. Dies beschränkt sich nicht nur auf Comicverfilmungen, die Liste umfasst Remakes von klassischen Horrorfilmen wie Nightmare on Elm Street und Friday the 13th, Verfilmungen von TV-Serien (The A-Team, Miami Vice) und Sequels von totgeglaubten Filmserien  (Rocky Balboa, Rambo), die seit Jahren die Kinosäle überfluten.

Die Vorlage

Nicht alle Comics und Graphic Novels sind dem kollektiven Geist des Mainstreams ein Begriff. So zum Beispiel der noch junge Scott Pilgrim vs. the World. Der sechs Bände umfassende Graphic Novel des Kanadiers Bryan Lee O'Malley erschien zwischen 2004 und 2010. Neben seinen Genrekollegen stand die Verfilmung von Scott Pilgrim vs. the World also etwas alleine da, hatte doch bisher kaum jemand außerhalb der Comicszene von ihm gehört. Leider habe ich (bisher) keinen Band von Scott Pilgrim vs. the World gelesen, daher muss ich mich in meiner Besprechung auf den Film beschränken.

Der Titelcharakter ist ein weitgehend unauffälliger junger Kanadier, der sich für Videospiele und Musik begeistert und mit der chinesischen Schülerin Knives zusammen ist. Eines schönen Tages begegnet er der Amerikanerin Ramona, in die er sich auf der Stelle verliebt. Was sich bis hierhin wie ein absolut austauschbares Teenie-Romanzen-Comedy-Gewäsch anhört wird nach 20 Filmminuten um eine eher aufregende Komponente ergänzt. Um mit Ramona zusammen zu sein muss Scott ihre sieben bösen (und teilweise weitaus überlegenen) Ex-Freunde im Faustkampf besiegen.

Scott (Michael Cera) und Ramona (Mary Elizabeth Winstead)

Regisseur dieses sehr außergewöhnlichen Stücks ist Edgar Wright. Nach den sehr starken und erfolgreichen Filmen Shaun of the Dead und Hot Fuzz markiert dies den dritten Spielfilm des 36 Jahre alten Briten und den Ersten ohne seine Komplizen Simon Pegg und Nick Frost. Des Weiteren ist es seine erste Regiearbeit bei einem nichtbritischen Projekt und sein erster Spielfilm der nicht aus seiner eigenen Idee heraus entstanden ist. Kann Wright trotz der unterschiedlichen Voraussetzungen seiner Linie treu bleiben und an die Qualität von Shaunof the Dead und Hot Fuzz anknüpfen?

Die kurze Antwort: ja.

Scott Pilgrim vs. the World ist einer der wenigen Filme der letzten Jahre (siehe oben) die wirklich originell sind, und das obwohl weder die Geschichte noch ihre Auflösung viel Neues bieten. Der Schlüssel liegt hier nicht in dem Was, sondern viel eher in dem Wie. Wright hat sich in enger Zusammenarbeit mit O'Malley Gedanken um die Umsetzung des Comics gemacht und hat einen audiovisuellen Stil entworfen, der haargenau auf die schräge Geschichte passt und sie auf der Leinwand funktionieren lässt. Bemerkenswert ist hierbei, dass Wright mit Bedacht einige Regeln der Bildgestaltung bricht und sie sich zu Nutze macht. In jedem anderen Film würde ein fließender Übergang vom 16:9-Bildformat zu Cinemascope und zurück als Störfaktor empfunden werden, nicht jedoch bei einem visuell so losgelöstem und mutigem Film wie Diesem. Die Ästhetik erinnert vorrangig an Computerspiele und Cartoons, komplett mit "K.O."- oder "vs."-Texteinblendungen, Tonkulissen und anderen grafischen Effekten, die die schon sehr skurrilen Kampfsequenzen zu einem wahren Feuerwerk aus Farben und Wörtern machen.

Level 1

Michael Cera, der viel zu oft als der typische, nerdige Teenager besetzt wird spielt in gewisser Weise die selbe Rolle, allerdings kräftig gewürzt. Er steht vor einem starken Ensemble, das durchweg gut besetzt ist und sichtlich Spaß mit der Arbeit an diesem Film hat. Eine reine Augenweide ist Jason Schwartzman als schleimiger Indie-Produzent und Endboss Gideon.

Edgar Wright gelingt mit der Adaption des Comics ein Seiltanz. Nicht selten läuft der Stoff Gefahr, in den Bereich der Albernheit und des Blödsinns abzustürzen. Am auffälligsten wird dies in den Kampfszenen, wenn Scotts Gegenspieler nach bester Bollywood-Vorlage das Singen anfangen, auf Grund ihrer veganischen Ernährung telekinetische Kräfte haben oder zwei riesige feuerspeiende Drachen beschwören. Zu keiner Zeit jedoch wirken diese Szene innerhalb des Pilgrim-Universums unplausibel oder deplatziert, da Wright sich mit seinen ausgefallenen Effekten und Kameraeinstellungen schon früh von unserer Realität distanziert und eine Eigene erschafft.

Neben den zahlreichen digitalen Effekten strotzt der Film nur so vor Ideenreichtum und kleinen Gimmicks, die bei wiederholten Sichtungen langsam in den Vordergrund treten. Zum Beispiel das Loch im Mond. (Achtet mal darauf!) Auch beliebte Wright-Momente wie kurze, hektisch geschnittene Sequenzen sind enthalten, dieses Mal sogar mit einem leichten Augenzwinkern. Achja, und Scotts Gegenspieler zerplatzen zu Münzen nachdem sie besiegt wurden.

Wer nach fundamentalen Wahrheiten und intellektuell anspruchsvollem Kino sucht, wird mit Scott Pilgrim vs. the World nicht viel anfangen können. Es gibt inhaltlich nicht viel zu analysieren oder zu verstehen, er mag nicht den selben Spannungsbogen wie Shaun of the Dead haben, ist keine verzwickte Kriminalgeschichte wie Hot Fuzz, stattdessen konzentriert sich der Film hauptsächlich auf eine andere klassische Aufgabe von Filmen. Er macht schlichtweg Spaß. Sehr, sehr viel Spaß.

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